15.05.2024 – Der Energiedienstleister EWE führt gemeinsam mit dem DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme erste Tests zur Speicherung und Bereitstellung von Wasserstoff für die Industrie durch.
Grüner Wasserstoff ist ein wichtiges Element auf dem Weg zur Klimaneutralität und hin zu mehr Unabhängigkeit. Der Energiedienstleister EWE bringt daher dessen Markteintritt voran. Denn in einem System, das von Stromerzeugung aus Wind und Sonne dominiert wird, ist neben der räumlichen auch die zeitliche Verteilung großer Energiemengen erforderlich. EWE geht davon aus, dass grüne Gase hierbei eine maßgebliche Rolle spielen. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette plant das Unternehmen daher gemeinsam mit Partnern Projekte oder setzt diese bereits um – von der bedarfsgerechten Erzeugung, über den Transport bis hin zur Speicherung und Nutzung von grünem Wasserstoff, unter anderem in der Industrie und im Schwerlastverkehr. Eines dieser Projekte ist HyCAVmobil – ein Forschungsprojekt, das sich mit der Speicherung von Wasserstoff am Erdgasspeicherstandort in Rüdersdorf beschäftigt.
Mit dem Vorhaben will EWE nachweisen, dass Wasserstoff in Hohlräumen unter der Erde sicher gelagert werden kann und nach der Entnahme aus dem Speicher eine entsprechende Qualität für zukünftige Anwendungen hat. Dies ist ein wichtiger Schritt für die Übertragbarkeit auf große Kavernenspeicher.
Meilenstein Nr. 1: Rohr-in-Rohr-System verbaut
An seinem Gasspeicherstandort in Rüdersdorf bei Berlin hat EWE in rund 1.000 Metern Tiefe eine kleine Testkaverne im Salzgestein gebaut, um Wasserstoff einzulagern und den Speicherbetrieb zu testen. Die Steinsalzschicht unter dem Speichergelände, in dem es bereits zwei große Kavernenspeicher gibt, beginnt in circa 600 Metern Tiefe und reicht bis zu 3.200 Meter unter die Erdoberfläche. Das Salz stammt aus einem Meer, das es in Rüdersdorf vor 250 Millionen Jahren gab. 500 Kubikmeter Volumen hat die Testkaverne und damit die Dimension eines Einfamilienhauses. Den ersten Meilenstein hat EWE Ende 2021 erreicht: mit dem Einbau und der Zementierung von 160 Stahlrohren bis in 1.000 Meter Tiefe.
Dafür hat das Unternehmen ein Rohr-in-Rohr-System verbaut, eine sogenannte Doppelrohrtour. Um das innere Rohr für die Materialtests nutzen zu können, hat EWE gemeinsam mit seinem Dienstleister UGS aus Mittenwalde ein flexibles System entwickelt. Es dient dazu, das innere Rohr wieder ausbauen und für Tests nutzen zu können, ohne das Material zu zerstören. Diese Tests sind vor allem für zukünftige, langfristige Anwendungen wichtig, denn bei der großtechnischen Wasserstoffspeicherung muss den zuständigen Behörden nachgewiesen werden, dass Wasserstoff sich mit den verbauten Materialien gut verträgt und langfristig sicher ist.
Meilenstein Nr. 2: Dichtheit nachgewiesen
Einen zweiten Meilenstein im Forschungsvorhaben hat EWE Ende September 2022 erreicht: Die Dichtheit der Kavernenverrohrung wurde nachgewiesen. Diese ist eine Voraussetzung für die sichere Speicherung des kleinsten Moleküls Wasserstoff.
Anschließend hat EWE den Hohlraum im unterirdischen Salzstock ausgesolt, Wasserstoff eingeleitet und mit den eigentlichen Wasserstoffspeichertest begonnen. Projektziel ist es, neben dem Betrieb der Anlage auch die Qualität des Wasserstoffes nach dem Ausspeichern zu prüfen. Eine Reinheit von nahezu 100 Prozent ist wichtig für zukünftige Anwendungen, vor allem im Mobilitätsbereich.
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Standortfragen bei PtX-Anlagen entscheidend
Der Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur ist unmittelbar mit den Stromnetzen verbunden. Vor allem beim Transport von Windstrom vom ertragreichen Norden in den verbrauchsintensiven Süden Deutschlands. Dieser ist heute nicht ausreichend dimensioniert, weswegen es vermehrt zu Engpässen bei den Übertragungsnetzen kommt. Die Kosten für das Netzengpassmanagement steigen entsprechend seit Jahren stark an und betrugen im Jahr 2022 rund 4,2 Mrd. Euro.
Gerade für die Betreiber flexibel einsetzbarer Power-to-X-Anlagen (PtX), beispielsweise Elektrolyseure, müsse aus Sicht der EWE daher ein Anreiz geschaffen werden, dass sie ihre Anlagen an systemdienlichen Standorten – d.h. mit hinreichender technischer Wirkung auf Engpässe in der Höchstspannungsebene – errichten. In einem ersten Schritt sollten, so der EWE-Vorstandsvorsitzende Stefan Dohler, Baukostenzuschüsse, differenziert nach Netzebenen, bundesweit vereinheitlicht werden. Dies soll Transparenz und ein „Level-Playing-Field“ für alle Akteure schaffen. „Darauf aufbauend sollten alle Netzbetreiber einen Nachlass in Höhe von 90 Prozent auf den Baukostenzuschuss für den Netzanschluss von PtX-Anlagen gewähren, sofern diese an von den Netzbetreibern veröffentlichten systemdienlichen Standorten entstehen“, so Dohler. Dies reduziere die Investitionsauszahlungen von Anlagenbetreibern erheblich und sei sachgerecht, weil Netzausbau tendenziell vermieden wird. Für Anlagen an nichtsystemdienlichen Standorten sollte demnach der Baukostenzuschuss hingegen in voller Höhe erhoben werden. Analog dazu könnte auch bei der Neuansiedlung von Industriekunden eine Reduzierung der Netzentgelte erfolgen, wenn diese systemdienliche Flexibilitäten bereitstellen können, die geeignet sind, Engpässe einzelner Umspannwerke auf Höchstspannungsebene zu mindern. (sg)
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Forschung für zukünftige Anwendungen
Aktuell finden umfangreiche Tests für den Betrieb der Wasserstoffkaverne statt. Diese haben zum Ziel, neben dem Betrieb der Anlage auch die Qualität des Wasserstoffes nach dem Ausspeichern zu testen und entsprechend für den Einsatz aufzubereiten. Dazu gehört auch der Nachweis, wie viel Feuchtigkeit der Wasserstoff untertage aufnimmt und wie die Trocknungsanlage eingestellt werden muss. Der EWE-Partner Bilfinger übernimmt dies mit seiner H2dry-Anlage.
Beim Ausspeichern misst EWE gleichzeitig auch Temperaturen und Drucke mit Hilfe eines Glasfaserkabels und von Drucksensoren, die bei der Kavernenerrichtung eingebaut wurden. Insgesamt sammelt das Unternehmen so in den verschiedenen Testphasen mit Ein- und Ausspeicherung unter verschiedenen Druckverhältnissen Erkenntnisse vom Betrieb eines Wasserstoffspeichers, um diese auf große Kavernenspeicher zu übertragen.
Bei dem Projekt kooperiert EWE auch mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme in Oldenburg erforscht und bewertet unter anderem die Qualität des Wasserstoffs vor dem Einspeichern und nach der Entnahme aus der Kaverne. Beginnend mit Untersuchungen unter kontrollierten Bedingungen im Labor folgen Versuche an der Testkaverne unter realen Bedingungen. Das DLR untersucht dabei sowohl Materialien und Komponenten als auch die Auswirkungen von Betriebsweisen einer exemplarischen obertägigen Anlage hinsichtlich einer Integration in das elektrische Energiesystem in der Region.
Insgesamt sammelt das Unternehmen so in den verschiedenen Testphasen mit Ein- und Ausspeicherung unter verschiedenen Druckverhältnissen Erkenntnisse vom Betrieb eines Wasserstoffspeichers, um diese auf große Kavernenspeicher mit dem 1.000-fachen Volumen zu übertragen. Damit wäre aus erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff im Terawattstunden-Maßstab speicher- und bedarfsgerecht nutzbar. Wasserstoff würde damit zur unverzichtbaren Komponente, um gesteckte Klimaziele zu erreichen und um die vier Sektoren Mobilität, Strom, Wärme sowie Industrie zu koppeln. (sg)