06.06.2023 – Die Digitalisierung und damit einhergehend eine effizientere Nutzung von Energie in der Produktion kann nur mit einer leistungsfähigen Vernetzung gelingen – das sagt zumindest das BMWK.
Digitale Technologien können eine zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung in der Industrie spielen und damit auch Kosten senken – speziell in den Bereichen, wo Automatisierung die Energieeffizienz steigert: in der Fertigung, in der Mobilität und bei der Energieversorgung. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ von Bitkom und Accenture. Nach Einschätzung vieler Experten ist dafür der 5G-Mobilfunkstandard aufgrund seiner hohen Datenraten und ultrageringen Latenz ideal geeignet und hat bereits in vielen Industrieprojekten seine Tauglichkeit für solche anspruchsvollen Anwendungen bewiesen.
So lassen sich direkte Energieeinsparungen beispielsweise durch eine intelligente Vernetzung von Produktionsanlagen, optimierte Fertigungssteuerung oder automatisierte Logistik erzielen. Das Echtzeittracking von Produktionsgütern kombiniert mit automatisierten Flurfahrzeugen, die genau dann fahren, wenn es etwas zu transportieren gibt und Robotern, die diese Transporter beladen, wenn die Werkstücke eintreffen, sind ein anschauliches Beispiel für einen Prozess, der deutlich weniger Energie verbraucht als die konventionelle Intralogistik.
Gleichermaßen können im Zuge der Gebäudeautomation datengestützte Steuerungsmodelle für Heizungen, Klimaanlagen, Elektrofahrzeuge oder anderer Verbraucher mittels 5G umgesetzt werden – und auf diese Weise den Energieverbrauch von Industrie und Gewerbe teils drastisch reduzieren.
5G für intelligentes Energiemanagement
Für industrielle und gewerbliche Betriebe können 5G-gesteuerte Prozesse – im eigenen Campusnetz oder über die kommende öffentliche Infrastruktur – zudem aus einem anderen Grund interessant sein: Im Zuge der Energiewende ändern sich die Wertschöpfungsketten in der Energiebeschaffung. Immer mehr Betriebe in Deutschland gelten als Prosumer, also als gleichzeitige Produzenten und Konsumenten von elektrischer Energie. Weil die Erzeugung mittels erneuerbarer Erzeuger jedoch außerordentlich schwankend ist, gewinnen intelligente Energiemanagementsysteme an Bedeutung: Diese steuern die elektrischen Verbraucher im Betrieb so, dass die selbst erzeugte Energie dann verbraucht wird, wenn sie verfügbar ist – und vermeiden damit den Bezug von Energie aus dem öffentlichen Netz. Sind Überschüsse vorhanden, stehen idealerweise Speichertechnologien – vom Industriespeicher, über die KWK-Anlage bis hin zum Elektrolyseur zu Verfügung, die diese aufnehmen können. Derartige Lösungen existieren, können aber mittels 5G-Technologien noch erheblich verbessert werden.
Weitere Optimierungsmöglichkeiten bestehen mit Blick auf die Beschaffung und Vermarktung von Energie an den Märkten, denn auch dort beeinflussen die volatilen Erneuerbaren zunehmend den Preis: Übersteigt die eingespeiste Leistung aus erneuerbarem Strom die Nachfrage, sinken die Preise teilweise auf Null. Einschlägige Handelslösungen beziehungsweise entsprechend spezialisierte Dienstleister sind schon heute in der Lage, diese Dynamik in der Beschaffungsstrategie zu nutzen, während das betriebsinterne Energiemanagement den elektrischen Verbrauch – wo möglich – in Abhängigkeit vom Beschaffungspreis steuern kann. Last but not least eröffnen sich für den Betrieb, der über eigene Erzeugungskapazitäten respektive regelbare Verbraucher verfügt, eigene interessante Beteiligungsmöglichkeiten am Strom- und perspektivisch auch am Regelenergiemarkt. Entsprechende Optimierungsmodelle werden zurzeit entwickelt und im Einsatz von 5G-Technologien mittelfristig auch nutzbar.
Aus der Praxis für die Praxis
Verwirklichen lässt sich das 5G-Versprechen mit Latenzzeiten von unter 5 Millisekunden, Datenraten von 10 Gbit und einer Zuverlässigkeit von 99,999 Prozent am besten in einem 5G-Campusnetzwerk. In Deutschland haben Unternehmen die Möglichkeit, bei der Bundesnetzagentur eine Lizenz für den Aufbau eines firmeneigenen 5G-Netzes, das vom öffentlichen Netz getrennt ist, zu beantragen. Da die gemietete Frequenz dem Unternehmen exklusiv zur Verfügung steht, kann ihm wortwörtlich niemand dazwischenfunken.
Wie Nachhaltigkeit und Wirtschaftskraft konkret Hand in Hand gehen könnten, zeigt das Beispiel der Mercedes-Benz Car 56 Factory in Sindelfingen. Hier fungiert 5G als Enabler einer voll vernetzten und flexiblen Produktionsstätte. Dabei erhöht das von Telefónica Deutschland errichtete 5G-Campusnetz die Effizienz und Genauigkeit im Produktionsprozess der Fabrik. Sämtliche Prozesse werden durch das eigene Netz optimiert, noch robuster und können bei Bedarf kurzfristig an aktuelle Anforderungen angepasst werden. Hinzu kommen eine Vielzahl von Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs und die Versorgung mit CO2-neutralem Strom.
Ebenfalls ein eigenes 5G-Campusnetz in Betrieb genommen hat der Chemiekonzern BASF am Standort Schwarzheide. Partner ist Vodafone. Der Mobilfunkstandard 5G sei dabei eine „Sprunginnovation“, so Jürgen Fuchs, Vorsitzender der Geschäftsführung der BASF Schwarzheide. Gemeinsam mit Vodafone wolle man nun herausfinden, wie sich die Technologie in der Chemieproduktion bewährt. Fortschritte erhofft man sich in Produktion und Logistik sowie in der Steigerung der Energieeffizienz. „Die 5G-Campustechnologie ist das Rückgrat der Energiewende am Standort Schwarzheide und damit Mittelpunkt unserer Bemühungen, Energie und Material in der Produktion einzusparen“, resümiert Jürgen Fuchs.