12.09.2023 – In einem neuen Konsortialprojekt entwickeln Fraunhofer-Forschende gemeinsam mit Partnern aus der Industrie flexible Lösungen zur Integration von Ladestationen für E-Fahrzeuge in gewerbliche Gleichspannungsnetze.
„Die Energiekosten sind in der Produktion ein entscheidender Faktor geworden. Unternehmen suchen daher immer nach neuen Wegen, ihre Effizienz zu steigern. Eine Ressource, die bisher kaum genutzt wurde, sind die Ladeparks für Elektrofahrzeuge. Sie bieten ein enormes Potenzial, kostengünstig Energie zu speichern und im Bedarfsfall abzurufen“, erklärt Jonas Knapp. Der Leiter des Projekts Industrielle Mikronetze und Energiespeicher am Fraunhofer IPA arbeitet an Konzepten für eine effizientere Energienutzung. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der Einsatz von Gleichstrom, kurz DC.
„Die Einrichtung von DC-Netzen bietet für industrielle Anwendungen eine ganze Reihe von Vorteilen“, betont Knapp. Man spart Kupfer, weil Gleichstrom – anders als der Dreiphasenwechselstrom, kurz AC, den die Industrie verwendet – in der Regel nur zwei aktive Leiter benötigt und damit einen weniger als Drehstrom. Regenerativ gewonnene Energie, beispielsweise der Strom aus der Photovoltaikanlage auf dem Dach, lässt sich außerdem direkt ins Gleichstromnetz einspeisen. Und auch die Gleichrichter, die bei Wechselstrom zwischengeschaltet werden müssen, damit die Maschinen von der Netzfrequenz entkoppelt werden, sind bei einer Gleichstromversorgung überflüssig. »Immer mehr Unternehmen nutzen daher Gleichstrom in der Produktion“, so Knapp. Es sei daher höchste Zeit, auch die Ladeinfrastruktur für die Elektrofuhrparks in das System zu integrieren.
Bisher war dies nur über Umwege – also mit Hilfe von Gleichrichtern – möglich: Solange die Ladesäulen auf den Parkplätzen durch das Wechselstromnetz versorgt werden, muss zum Laden der Batterien Wechselstrom in Gleichstrom gewandelt werden. Dies geschieht – bei Wechselstromladesäulen – im On-Board-Ladegerät des Fahrzeugs, bei Schnellladesäulen wird der Wechselstrom schon in der Ladesäule gleichgerichtet. Ziel des Projekts DCI4Charge – die Abkürzung steht für Industrie-Gleichstrom (DC) zum Laden – ist es, die Gleichstromladestation direkt aus dem Gleichstromnetz des Unternehmens zu versorgen und umgekehrt das industrielle DC-Netz virtuell bzw. temporär zu stützen. Ein interdisziplinäres Team vom Fraunhofer IPA, Fraunhofer IISB, der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) als Projektkoordinator und den Industriepartnern Ambibox, Bäumer, Danfoss, Eaton, Maschinenfabrik Reinhausen und Weidmüller arbeitet jetzt gemeinsam an Lösungen für die Integration.
Wandler für mehr Effizienz
Forschende am Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB entwickeln hierfür isolierende DC/DC-Wandler, die notwendig sind, um den Gleichstrom aus dem Unternehmens-Gleichspannungsnetz in den Gleichstrom umzuwandeln, der zur Ladung der Fahrzeugbatterien benötigt wird. Diese Wandler sind wichtig, um exakt die erforderliche Spannung und Stromstärke zu liefern und gleichzeitig eine sichere elektrische Trennung zwischen dem Unternehmensnetz und der Batterie des Fahrzeugs zu gewährleisten. Die neuen DC/DC-Wandler sollen modular aufgebaut sein, sodass sie flexibel miteinander kombinierbar und skalierbar sind. Ebenso wird großer Wert auf eine flexible Regelung gelegt, denn übliche isolierende DC/DC-Wandler haben häufig nur einen sehr begrenzten Betriebsbereich. Auf diese Weise lässt sich die zur Verfügung stehende elektrische Energie effizienter nutzen und Energieverluste werden minimiert.
Virtuelle Batterien
„Durch die Integration der Ladestationen ins Gleichspannungsnetz können wir nicht nur Energie sparen, sondern auch die Kapazität der Fahrzeugbatterien für die Energieversorgung der Unternehmen nutzen“, ergänzt Projektleiter Knapp. „Auf diese Weise lassen sich Verbrauchsspitzen abpuffern und Energiekosten senken.“
Die Idee, die dahintersteckt: Die Speicherkapazität der E-Fahrzeuge, die auf einem Parkplatz stehen, bildet, technisch betrachtet, eine „virtuelle Batterie“, die in das Energiemanagement von Unternehmen eingebunden werden kann. In Zeiten, in denen der Energieverbrauch gering ist, werden die Batterien aufgeladen. Der gespeicherte Strom lässt sich dann, wenn der Energiebedarf besonders hoch ist, wieder ins Gleichstrom-Netz einspeisen. „Auf diese Weise können wir die Ressource Strom effizienter nutzen“, betont Knapp.
Für die Regelung dieser Energieflüsse entwickeln die Forschenden am IPA jetzt ein softwaregestütztes Energiemanagement: Die bidirektional angebundenen Elektrofahrzeuge können dabei als virtuelle Batterie Strom aufnehmen, aber auch wieder abgeben. Mithilfe von Simulationen lässt sich der Einfluss dieser virtuellen Batterie und des Energiemanagements auf die Netzstabilität analysieren. Ziel ist es, den Mehrwert von bidirektionaler Ladeinfrastruktur zu quantifizieren, ohne die Netzstabilität zu gefährden.
„Entscheidend für den Erfolg des Projektes ist die Automatisierung von Energiespeicherung und -einspeisung. Wenn sie gelingt, wird E-Mobilität zu einem integralen Bestandteil des Energiemanagements von Unternehmen werden“, prognostiziert Knapp. „Und weil sich dadurch die Energiekosten senken lassen, wird die Anschaffung zusätzlicher E-Fahrzeuge noch attraktiver– was die E-Mobilität dann weiter vorantreibt.“ (jr)