02.06.2023 – Druckguss zählt zu den kosteneffizientesten Verfahren zur Formgebung. Mit nur einer Form können schnell Hunderttausende von Gussteilen hergestellt werden. Allerdings ist dieses Produktionsverfahren, wie viele andere industrielle Prozesse, äußerst energieintensiv. Ein erheblicher Teil des Energieverbrauchs entfällt dabei auf die Tiegelöfen, in denen Metallbarren eingeschmolzen und dann unter hohem Druck und Geschwindigkeit in eine metallische Form gepresst werden. Entsprechend hoch ist der Gesamtenergieverbrauch der deutschen Leichtmetallgießereien im Jahr 2019, der laut Angaben des Statistischen Bundesamts bei 4,4 TWh liegt. Die Konzeption eines energieflexiblen Produktionsprozesses eröffnet die Möglichkeit, Schwankungen im Stromnetz auszugleichen und somit kostengünstiger zu produzieren.
Die Umsetzung eines energieflexiblen Betriebs kann durch den Einsatz von bivalenten Tiegelöfen realisiert werden. Üblicherweise werden solche Öfen mit nur einem Energieträger betrieben, entweder mit Gas und Öl als Brennstoffen oder alternativ mit Strom. Im Gegensatz dazu können bivalente Tiegelöfen dynamisch zwischen den Energieträgern Strom und Gas wechseln. Ein derartiges Konzept existiert bislang nicht. Alexander Mages, ein Wissenschaftler am Fraunhofer IPA in Stuttgart, erklärt: „Auf diese Weise kann der Energiebedarf des Tiegelofens in verschiedenen Betriebszuständen mit unterschiedlichen Energieträgern gedeckt werden.“
In Zusammenarbeit mit den Partnern Hindenlang GmbH, Bark Magnesium GmbH und dem Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart hat das Forscherteam verschiedene Heizungskonzepte modelliert, das Anlagenkonzept durch thermische Simulationen optimiert und die bivalente Ausführung eines Tiegelofens umgesetzt. Der Tiegelofen ist Teil eines Anlagenparks, der auch Stanzen, Pressen und CNC-Maschinen in der Druckgießerei Bark Magnesium GmbH umfasst. Der Tiegelofen wurde im April 2023 erfolgreich getestet und im Mai in Betrieb genommen. In ihm werden Magnesiumblöcke, sogenannte Masseln, eingeschmolzen.
Das Ziel bestand darin, Energie flexibel und unter Berücksichtigung der Strompreisoptimierung zu nutzen, ohne dabei den Produktionsprozess unterbrechen zu müssen, da die Schmelze kontinuierlich bei Betriebstemperatur gehalten werden muss. Daher kann der bivalente Ofen bei hohen Strompreisen, beispielsweise aufgrund des morgendlichen oder abendlichen Spitzenverbrauchs, auf den Betrieb mit Gas umgestellt werden. Bei niedrigen Preisen hingegen wird auf den Strombetrieb umgeschaltet. Mages betont: „Eine flexible Stromnachfrage seitens der Industrie kann einen erheblichen Beitrag zur Transformation unseres Stromsystems hin zu erneuerbaren Energien leisten. Industrieunternehmen machen etwa 44 Prozent des Gesamtstromverbrauchs aus.“
Der Wechsel zwischen Strom und Gas kann entweder manuell über die Ofensteuerung oder automatisiert über ein Signal auf Hallennetzebene erfolgen. Ebenso besteht die Möglichkeit, den Wechsel nach Erhalt eines Signals vom Stromanbieter über die Hallennetzanbindung durchzuführen. Mages erklärt einen weiteren Vorteil des bivalenten Ofens: „Durch den Wechsel des Energieträgers müssen Auftragsstarts nicht in Zeiten mit niedrigen Strompreisen verschoben werden. Auch müssen Pausenzeiten im Schichtbetrieb nicht angepasst werden. Diese Maßnahmen sind üblich, um Energieflexibilität zu erreichen.“
Der Ofen wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kopernikus-Projekts SynErgie II entwickelt. Das Folgeprojekt SynErgie III ist bereits beantragt und soll den Ofen sowie das Beheizungs- und Netzkonzept weiter optimieren. Mithilfe von thermischen Messelementen ermitteln die Projektpartner Parameter wie die Temperaturverteilung im Ofen, um Rückschlüsse auf die Energieeffizienz zu ziehen. Zudem wird geprüft, ob der Ofen auch mit Wasserstoff betrieben werden kann. Mages sagt: „Wir forschen praktisch an einem lebenden Objekt.“