27.11.2023 – Gemäß dem Photovoltaik-Ausbaupfad der deutschen Bundesregierung soll der Zubau von jährlich aktuell prognostizierten 9 GWp im Jahr 2023 auf über 20 GWp ab 2027 gesteigert werden. Die neue Version der Power-Control-Unit-Software von Phoenix Contact soll die Komplexität für Applikationsprojekte reduzieren und die beschleunigte Umsetzung des PV-Ausbauziels unterstützen.
Insbesondere die Photovoltaik (PV)-Pflicht für Neubauten und Gewerbedächer wird die Anzahl neuer PV-Anlagen im Commercial-Bereich zwischen 100 kWp und 1 MWp erhöhen. Diese Anlagen fallen mit ihrer Einspeiseleistung überwiegend in den Bereich der Mittelspannung gemäß VDE-AR-N-4110 und erfordern somit den gesamten Netzanschlussprozess. In den letzten Jahren ist die Menge der im Mittelspannungsbereich gebauten Anlagen jedoch zurückgegangen, obwohl in allen anderen Segmenten ein deutliches Wachstum zu verzeichnen war. Diese Ausdünnung resultiert aus der Komplexität des Netzanschlusses. Dies geht so weit, dass PV-Anlagen absichtlich in der Leistung reduziert werden, um den technischen und bürokratischen Aufwand zu senken und damit den Zertifizierungsstau zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund hat das Blomberger Unternehmen Phoenix Contact Lösungen entwickelt, die den Netzanschluss mit entsprechenden Hard- und Software-Anwendungen unterstützen sollen.
EZA-Regler mit Komponentenzertifikat
Den Dreh- und Angelpunkt für Energieerzeugungsanlagen mit Netzanschluss gemäß VDE-AR-N 4110/4120 bildet der sogenannte EZA-Regler, der von Phoenix Contact auch als Power Control Unit (PCU) bezeichnet und vertrieben wird. In Deutschland muss für den EZA-Regler ein Komponentenzertifikat vorliegen, welches wiederum die Voraussetzung für das Anlagenzertifikat einer PV-Anlage ab der derzeit gültigen Leistungsgrenze von 135 kWp ist. Den EZA-Reglern kommt damit eine für die Solarindustrie gesteigerte Bedeutung zu – schließlich sind sie die Voraussetzung für den Anschluss von PV-Anlagen ab einer Leistung von 135 kWp.
Den Anforderungen und Problemen der Solarindustrie im Bereich des Netzanschlusses für EZA-Regler hat sich nun Phoenix Contact angenommen. „Die technische Umsetzung und Inbetriebnahme der Anbindung wird erleichtert, beschleunigt sowie ohne weitgehende Software-Kenntnisse zugänglich gemacht. Zu diesem Zweck bieten wir seit 2023 die Release-Version 4.0.0 der PCU an“, berichtet Birgit Beier, Product Services Energy bei Phoenix Contact.
Erstellung projektspezifischer Varianten
Die neue PCU-Basisapplikation ähnelt dabei einer Bibliothek, da sie einen Baukasten aus Programmen und eHMI-Seiten bereitstellt. Je nach Anforderungen können die Anwender:innen daraus projektspezifische Anpassungen ausprägen. Die Adaptionen erfolgen dabei zweistufig. Birgit Beier dazu: „Zuerst müssen dafür einige Einstellungen und Anpassungen in unserer Software PLCnext Engineer vorgenommen werden. Dazu zählt auch die Auswahl des grundsätzlichen Funktionsumfangs durch die Instanziierung von Programmen.“ Jeder Applikationsteil beinhaltet zu diesem Zweck ein oder mehrere Programme zur Auswahl.
„Nach der Übertragung des projektspezifisch adaptierten Projekts auf die Steuerung geschieht die weitere Parametrierung über das eHMI. Bei der Bedienung über einen Browser gleichen sich die Seiten automatisch den ausgesuchten Programmen an. Danach lassen sich allein jene Applikationsteile betrachten und konfigurieren, die tatsächlich in Verwendung sind. Das Ganze stellt eine wesentliche Vereinfachung für Techniker:innen oder Software-Entwickler:innen dar, denn die Software PLCnext Engineer wird zwar bedient, aber es muss bestenfalls keine Zeile Programm-Code geschrieben werden, solange die PV-Anlage innerhalb des Umfangs der mitgelieferten Schnittstellenprogramme bleibt“, beschreibt die Expertin die Mehrwerte der Phoenix Contact-Lösung.
Darüber hinaus hat die PCU von Phoenix Contact umfangreiche Funktionen, aus denen sich projektspezifische Varianten der Basisapplikation generieren lassen. Dazu zählen beispielsweise der Grid Operator als Schnittstelle zum Netzbetreiber, Third Parties als Schnittstelle zu einem oder mehreren Direktvermarktern, (Smart) Meter als Energiemessgerät am Netzübergabepunkt, die Control-Unit für zertifizierte EZA-Reglerfunktionen, Inverter als Schnittstelle zu PV-Wechselrichtern mit bis zu 25 Instanzen und je maximal 80 einzelnen Wechselrichtern sowie ein Test-Modus, um die Regelfunktionen der PCU ausprobieren zu können.
Schnittstelle zu Netzbetreibern
Anhand der installierten Anlagen im Bereich der Mittelspannung hat Phoenix Contact die fünf größten Netzbetreiber Deutschlands ermittelt. Laut Marktstammdatenregister decken sie fast 60 Prozent der PV-Anlagen ab. Für diese dominierenden Netzbetreiber stellt das Blomberger Unternehmen das jeweilige Schnittstellenprogramm zur Verfügung. Für die Netzbetreiberschnittstelle gibt es eine zusätzliche Erleichterung bei der Konfiguration. In PLCnext Engineer wird zunächst nur das Kommunikationsprotokoll – entweder IEC 60870-5-101 oder IEC 60870-5-104 – ausgewählt. Anschließend werden die Netzbetreiber namentlich in einer Klappleiste des eHMI sichtbar und lassen sich selektieren.
Zudem hat Phoenix Contact die Anforderungen der vielen anderen Netzbetreiber verglichen und die Datenpunktlisten übereinandergelegt. Die Übereinstimmungen sind typischerweise groß und erlauben es deshalb, eine beachtliche Anzahl von nicht explizit genannten Netzbetreibern zu implementieren. Die Datenpunktlisten lassen sich ferner frei im eHMI oder im Software-Code des Schnittstellenprogramms projektieren.
Darüber hinaus wurde der PCU eine weitere hilfreiche Komponente hinzugefügt: Die Basisapplikation umfasst nun ein Testmodus-Programm. Birgit Beier: „Dieses ermöglicht das Simulieren von einzelnen Soll- und Messwerten, um das Gesamtsystem zu prüfen und in Betrieb zu nehmen. Daten wie der Wirk- und Blindleistungssollwert, Leistungsfaktor Cos Phi, die Referenzspannung sowie der Frequenz- und Netzspannungsmesswert können simuliert und getestet werden.“
Es gibt die Option eines manuellen sowie eines automatischen Testmodus. Der manuelle Testmodus erlaubt die separate Vorgabe von Soll- und Messwerten. Im automatischen Testmodus definieren Anwender:innen einen Testfall, der dann automatisch durchlaufen wird. „Der Testmodus erweist sich für alle Anwender:innen als sinnvoll, die das Verhalten ihrer PV-Anlage vorab ohne (freigegebene) Netzbetreiberschnittstelle überprüfen möchten. Bei der Inbetriebsetzung der Netzbetreiberschnittstelle der PV-Anlage ermöglicht dies einen schnellen und reibungslosen Ablauf, insbesondere wenn der Netzbetreiber vor Ort ist und den Prozess überwacht“, führt Birgit Beier aus. Unnötige Wartezeiten sollen so vermieden werden. Zudem fließen die dokumentierten Ergebnisse des Tests direkt in die Anlagenzertifizierung ein.
„Die Vorteile, die unsere PCU-Lösung bietet, liegen damit klar auf der Hand: Mehr Parametrierung und weniger Programmierung – was letztlich zu einer Beschleunigung der Inbetriebsetzung des Netzanschlusses führt und die technische Umsetzung des Einspeisemanagements für PV-Anlagen wesentlich erleichtert“, resümiert Birgit Beier. (jr)