17.09.2024 – Rolls-Royce und das Projektentwicklungsunternehmen Abo Wind haben Ende Mai 2023 in Leutershausen bei Bad Neustadt in Bayern ein mtu-Batteriegroßspeichersystem in einem Solarpark in Betrieb genommen. Insgesamt können mit der PV-Batterie-Anlage pro Jahr 10.000 Megawatt-Stunden grüner Strom produziert werden.
Der globale Speichermarkt wächst rasant. Auf über 400 GWh wird die Speicherleistung der weltweit installierten Großanlagen bis 2031 steigen, wie Marktrecherchen des Geschäftsbereichs Power Systems von Rolls-Royce ergeben, die auf verschiedenen öffentlichen und bezahlten Analysen basieren. Das wäre das 10-fache dessen, was 2022 verfügbar war. Die steigende Nachfrage zeigt sich bei Rolls-Royce an der Anzahl der ausgelieferten Batteriespeichersysteme, die sich jedes Jahr verdoppelt. In den Auftragsbüchern des Geschäftsbereichs Power Systems des britischen Technologiekonzerns stehen mittlerweile über 140 Projekte, die ein breites Spektrum an Anwendungsfällen abdecken. Sie reichen von Batteriecontainern, mit denen sich Unternehmen neue Geschäftsmodelle im Stromhandel erschließen oder Peak Shaving betreiben, bis hin zu Gridsize-Systemen (Freiluft-Installation mit Zentralumrichter), wie dem größten Batteriespeicher in den Niederlanden, der die Stromnetzstabilität gewährleistet.
Einer der Wachstumstreiber für stationäre Batterielösungen sind die regenerativen Energien, deren volatilere Stromerzeugung Zwischenspeicher benötigt. Darüber hinaus schaffen politische Rahmenbedingungen wie der europäische REPowerEU-Plan oder die Innovationsausschreibung der Bundesnetzagentur in Deutschland Anreize für neue Vermarktungsformen. Dazu zählt beispielsweise das Intraday-Trading, bei dem Strom kurzfristig innerhalb eines Tages ge- und verkauft wird. Auch lassen sich Speicherkapazitäten gewinnbringend einsetzen, um Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen zeit- sowie preisoptimiert zu verschieben.
Die Vermarkter reagieren auf Preisschwankungen an den Börsen in Echtzeit, um Arbitragegewinne zu realisieren.
Für dieses Geschäftsmodell setzt VISPIRON, ein süddeutscher Anbieter nachhaltiger Mobilitäts- und Energielösungen, acht Batteriesysteme der Marke mtu EnergyPack ein, die überwiegend in Solarparks in Thüringen und Bayern stehen. Die von Rolls-Royce im bayerischen Ruhstorf produzierten Systeme wurden in komplett mit Lithium-Ionen-Batteriemodulen, Umrichtern, Filtern, Kühleinrichtungen und Transformatoren ausgestatteten 40-Fuß-Containern geliefert. Die Speicherkapazität, die pro Einzelsystem bei bis zu 2,2 MWh liegt, hilft auch bei der punktuellen Netzentlastung, da der Strom bei Bedarf nicht über weite Strecken transportiert werden muss, sondern direkt aus dem lokalen Speicher eingespeist wird.
Mehrere Vollzyklen täglich
Ein wichtiger Faktor für die Wirtschaftlichkeit von Arbitragemodellen ist die Anzahl der täglich möglichen Vollzyklen, die einer jeweils vollständigen Ent- und anschließenden Beladung entspricht. Je öfter der Zyklus abgeschlossen werden kann, desto schneller amortisiert sich der Batteriespeicher und fährt Gewinne ein. Die mtu EnergyPacks ermöglichen mehrere Vollzyklen pro Tag durch die optimierte C-Rate ihrer Batteriemodule. (Die C-Rate gibt die Menge an elektrischer Ladung an, die eine Batterie liefern bzw. speichern kann.) Zudem basiert die gute Performance, die Rolls-Royce VISPIRON vertraglich garantiert, auf exakten Berechnungen der Zellchemie sowie umfangreichen Simulationen, die eine enge Feinabstimmung zwischen Auftraggeber und Batteriehersteller im Vorfeld ermöglichten.
mtu EnergyPack für Energiehandel in den Niederlanden
Rolls-Royce wird für den Batteriepark Zeewolde (BPZ) eine Batterie-Großspeicheranlage mit einer Leistung von 32,6 Megawatt und einer Speicherkapazität von 65,2 Megawattstunden schlüsselfertig nach Zeewolde in den Niederlanden liefern. Das mtu EnergyPack QG-System soll im Herbst 2025 in Betrieb genommen werden. Es wird den Kunden im Energiehandel und im Bereich der Netzdienstleistungsmärkte (grid services markets) unterstützen. Zudem trägt es dazu bei, die Stabilität des niederländischen Stromnetzes zu erhöhen, denn der Batteriepark Zeewolde wird neben dem Umspannwerk des Windparks Zeewolde errichtet.
Eine andere Anwendung, für die immer mehr Industrieunternehmen in Deutschland mtu EnergyPacks einsetzen, die es als modulare Systeme mit Leistungen von 150 kVA bis 2.000 kVA und einer Speicherkapazität von 180 kWh bis 2.200 kWh gibt, ist das Peak Shaving – also die Glättung von Verbrauchsspitzen. Diese sind nicht nur für die Netzstabilität relevant, sondern auch für die Stromrechnung von Industrie- und Gewerbekunden. Denn die Netznutzungsentgelte, die einen großen Teil der Kosten ausmachen, bemessen sich unter anderem an der höchsten bezogenen Leistung im jeweiligen Abrechnungszeitraum. Da die Leistungspreise deutlich über den regulären Arbeitspreisen liegen, finanzieren sich die Batteriecontainer über die
abgefangenen Peaks und die dadurch verringerten Netzentgelte.
Integriertes Energiesystem spart Energiekosten und optimiert den CO2-Footprint
Durch Peak Shaving und Energieverschiebung spart Proquinal rund 380.000 Euro jährlich. Zuvor kämpfte das in der Nähe von San Jose in Costa Rica ansässige Textilunternehmen mit hohen Stromkosten, die durch die teuren Tarife in Spitzenzeiten verursacht wurden. Seit dem Aufbau eines integrierten Energiesystems aus Batteriespeichern, Solarpanels und intelligenter Steuerung wird das gesamte Werk täglich zur teuersten Tarifzeit für fünf Stunden vollständig vom Netz genommen. Versorgt wird es währenddessen von zwei mtu EnergyPacks QL mit einer Leistung von jeweils 750 kVA und einer Speicherkapazität von je 2,1 MWh. Automatisiert regelt die intelligente Steuerung mtu EnergetIQ die Anlage und optimiert den Energiefluss, so dass dieser sicher und kosteneffizient verfügbar ist. Die jährliche Energiekostenersparnis wird zu 60 Prozent durch die Senkung der Verbrauchsgebühren erreicht, 8 Prozent trägt die Solarenergie bei und 32 Prozent das Aufladen der EnergyPacks während der günstigeren Schwachlastzeiten. Innerhalb von nur 4,3 Jahren amortisiert sich die Anlage, die außerdem den CO2-Ausstoß des Textilherstellers um 285 Tonnen pro Jahr reduziert.
Seit Beginn der Energiekrise verliert die Amortisationszeit an Wichtigkeit. Vielmehr treibt die Unternehmen die Sorge vor Stromausfällen um. Das führt zu einem wachsenden Interesse an Batteriespeichern, die wie die mtu EnergyPacks netzbildend sind, indem sie als Inselnetz fungieren. Im Fall eines Brown- oder Blackouts stellen die Batteriespeicher das Netz, halten die Spannung und alle Geräte im System synchronisieren sich damit. Das ist nur möglich, wenn die Batteriespeicher schwarzstartfähig sind, so wie die Speicherlösungen von Rolls-Royce Power Systems. Mit Umschaltzeiten, die oberhalb von UPS-Funktionalitäten liegen, sind die EnergyPacks für nahezu alle Branchen ideal geeignet.
Kompakte Batterie statt aufwändigem Trafoausbau
Zu lokalen Netzengpässen kann es auch durch die E-Mobilität kommen: Laden mehrere Fahrzeuge parallel an einem Schnellladepunkt, steigt kurzfristig der Bedarf an elektrischer Energie rapide, und zwar oft an Orten, an denen die Nachfrage zuvor sehr gering war. Mit diesem Problem waren die Stadtwerke Münster konfrontiert, die in der nordrhein-westfälischen Stadt den öffentlichen Nahverkehr betreiben. Für die emissionsfreie Elektrobusflotte installierten sie Schnellladestationen mit 350 kVA Ladeleistung, wobei es am Ende eines Verteilerkabels zu Spannungsproblemen kam. Um die temporären Lastspitzen auszugleichen, entschieden sich die Stadtwerke anstelle eines zeit- und kostenaufwändigen Trafo- und Kabelausbaus für ein mtu Energypack QS (55 kVA / 112 kWh). Die kleinste Variante der Batteriespeicher von Rolls-Royce passt in ein kompaktes Gehäuse, das sich – bunt bemalt – harmonisch in das Stadtbild einfügt.
Semper Power beauftragt schlüsselfertige Anlage
Neue Wege geht auch Semper Power, um Schwankungen im Netz auszubalancieren. Das niederländische Unternehmen, das Energiespeichersysteme für Wind- und Solarparkentwickler, Verteilnetzbetreiber und industrielle Abnehmer entwickelt und betreibt, beauftragte Rolls-Royce als Generalunternehmen mit dem schlüsselfertigen Bau der Batteriespeicheranlage. Mit 30 MVA Leistung und einer Speicherkapazität von 60 MWh wird die Großspeicherlösung mtu EnergyPack QG seit November 2023 zur Netzfrequenzregulierung eingesetzt. Sie übernimmt damit die Aufgabe, die bisher konventionelle Kohle- oder Gaskraftwerke erbracht haben. Das macht sie zu einem existentiellen Bestandteil der Infrastruktur, um erneuerbare Energiequellen in die Stromversorgung zu integrieren. Das Batteriespeichersystem, das für Kapazitäten von wenigen bis zu mehreren hundert Megawattstunden skalierbar ist, besteht am Standort Vlissingen von Semper Power aus 168 Batterieeinheiten, sieben Wechselrichtern und der Steuerung mtu EnergetIQ.
Einsatz in Lettland
Lettland wird im Jahr 2025 gemeinsam mit den anderen baltischen Staaten sein Energieversorgungssystem mit dem kontinentaleuropäischen Stromnetz synchronisieren. Rolls-Royce hat vom lettischen Übertragungsnetzbetreiber Augstsprieguma tikls (AST) den Auftrag erhalten, eine Batteriegroßspeicher-Anlage mtu EnergyPack QG mit einer Leistung von 80 MW und einer Speicherkapazität von 160 MWh zur Sicherung des lettischen Stromnetzes zu liefern. Damit gehört die Anlage zu den größten Batteriespeichern in der EU. Das Batteriesystem soll die schnellen und automatisch aktivierten Frequenzregelungsreserven bereitstellen, die für den Synchronisationsmodus benötigt werden, bei dem die baltischen Stromübertragungssysteme synchron mit den kontinentaleuropäischen Netzen arbeiten. Das Batteriesystem wird die Strom-Reserven zu deutlich niedrigeren Kosten bereitstellen als die vorhandenen konventionellen Kraftwerke. (sg)