28.11.24 – Bei Rechenzentren bilden Blitz- und Überspannungseinwirkungen ein Risiko. Ohne geeignete Schutzmaßnahmen können schwerwiegende Folgen wie Brände, Systemausfälle oder gar Datenverluste drohen. Blitz- und Überspannungsschutz reduzieren Risiken, sorgen für einen konstanten Datenfluss und verhindern kostspielige Schäden oder Ausfallzeiten an kritischen Systemen.
Der Blitzschutzexperte DEHN bietet aufeinander abgestimmte Systemlösungen für Erdung, Blitz- und Überspannungsschutz aus einer Hand. Dazu kommen Beratungs- und Planungsdienstleistungen. Für den Bereich Rechenzentren hat das Unternehmen zudem ein White Paper veröffentlicht. Das Unternehmen empfiehlt eine frühzeitige Implementierung von Blitz- und Überspannungsschutzmaßnahmen nach DIN EN 50600 und DIN EN 62305. „Dies ist in der Planungsphase deutlich einfacher und kostengünstiger als eine Realisierung im Nachhinein“, sagt Andreas Fink, Corporate Portfolio Manager Building bei DEHN. Eine Nachrüstung sei oft nur schwer durchzuführen und oft mit einem sehr hohen finanziellen Aufwand verbunden.
Normative Vorgaben
Schutzmaßnahmen für Rechenzentren sind gesetzlich, normativ oder im Rahmen einer Zertifizierung gefordert. Die Normenreihe DIN EN 62305 stellt ein Gesamtkonzept zum Blitzschutz (Blitzschutzsystem) von baulichen Anlagen dar, die vorgegebene Risikoanalyse stellt etwa sicher, dass ein für alle Beteiligten nachvollziehbares Blitzschutzkonzept erstellt werden kann.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) orientiert sich an den Vorgaben der VDS 2010 und fordert für Rechenzentren mit erhöhtem Verfügbarkeitsbedarf die Blitzschutzklasse I (LPL I: Lightning Protection Level I) nach Blitzschutznorm DIN EN 62305. Wird davon abgewichen und stattdessen eine Risikoanalyse nach DIN EN 62305-2 durchgeführt, so ist dennoch mindestens LPL II zu realisieren – auch wenn das Ergebnis der Risikoanalyse eine niederwertigere Blitzschutzklasse als LPL II ergibt.
Die EN 50600 (in Deutschland: DIN EN 50600) „Informationstechnik – Einrichtungen und Infrastrukturen von Rechenzentren“ ist die erste europaweite Norm, die sich mit einem ganzheitlichen Ansatz und umfassenden Vorgaben für die Planung, den Bau und den Betrieb eines Rechenzentrums befasst. Im Teil 2-2 dieser Norm werden Maßnahmen zum Blitzschutz gefordert. Konkret nimmt dieser Teil dabei Bezug auf die komplette Normenreihe DIN EN 62305 „Blitzschutz“, die vier Teile umfasst.
Für das Erdungssystem, das bei einem Rechenzentrum vielfältige, wichtige Aufgaben besitzt, verweist der Teil 2-1 der DIN EN 50600 darauf, dass das Gebäudefundament für die Erdung genutzt werden soll. Die Anordnung der Erdungs- und Potentialausgleichsanlage im Gebäudefundament dient dabei als Basis für den Schutz bei Blitzschlag und elektromagnetischen Beeinflussungen. Dabei wird unter anderem auf die DIN EN 50600-2-2 verwiesen, die ihrerseits hinsichtlich des LEMP-Schutzkonzeptes auf die DIN EN 62305-4 verweist. Damit muss zur Planung von Rechenzentren auch die DIN EN 62305-4 herangezogen werden.
Äußeres Blitzschutzsystem für Rechenzentren
Ein vollständiges äußeres Blitzschutzsystem (LPS: engl. Lightning Protection System) besteht nach DIN EN 62305-3 aus Fangeinrichtung, Ableitung, Erdungsanlage, dem berechneten Trennungsabstand und dem Blitzschutz-Potentialausgleich. Dessen Hauptaufgabe ist es, Blitze einzufangen und über die Ableitungseinrichtung in die Erdungsanlage zu führen. „Gerade bei Rechenzentren mit Blitzschutzklasse I stellt sich häufig die Herausforderung, die benötigte Anzahl an Fangstangen im richtigen Trennungsabstand auf der Dachfläche unterzubringen“, sagt Dietmar Dürr, Market Development Manager Non-Residential bei DEHN. Besonders problematisch sind hier die unzähligen Dachaufbauten (z. B. Kühlungsanlagen, PV-Anlagen), die den sicheren Betrieb sowie die Energieeffizienz des Gebäudes sicherstellen sollen. Zugleich sind sie den Auswirkungen von Blitzeinschlägen ausgesetzt und bieten Blitzströmen die Möglichkeit, über die angeschlossenen Verbindungskabel in das Rechenzentrum einzudringen. „Ein konventionelles Blitzschutzsystem mit Einhaltung des notwendigen Trennungsabstands ist nur mit einem sehr hohen Aufwand zu realisieren“, sagt Dietmar Dürr. Der Trennungsabstand ist in DIN EN 62305-3 definiert als der „Abstand zwischen zwei leitfähigen Teilen, bei denen keine gefährlichen Funken auftreten können“. Bei dicht gedrängten Dachaufbauten bietet daher eine getrennte Blitzschutzeinrichtung – wie sie die HVI-Leitungen (HVI – High Voltage Insulation) darstellen – Vorteile. Sie lösen das Problem des „Trennungsabstands“ schnell, sind platzsparend und vereinfachen die Installation der Fangeinrichtung. Eine Fangeinrichtung mittels HVI-System verhindert die Gefahr, dass bei Rechenzentren dichte Dachaufbauten durch direkte Blitzeinschläge beschädigt werden oder durch Überschläge und das Fließen von Blitzteilströmen die Stromversorgung oder Signalleitungen unterbrochen werden. Unkontrollierte Stoßströme über Verbindungsleitungen Innere des Gebäudes werden damit verhindert. „Ein isoliertes Blitzschutzsystem sollte auch dann in Betracht gezogen werden, wenn in das Bauwerk eindringende Blitzteilströme empfindliche elektrische oder elektronische Geräte stören oder zerstören könnten“, sagt Andreas Fink.
Gebäudeschirmung
Ein Blitz, der in kürzester Zeit eine enorme Menge an Energie liefert, erzeugt einen starken elektromagnetischen Impuls – Lightning Electro-Magnetic Pulse (LEMP). Ein LEMP kann dabei sowohl durch einen direkten Blitzeinschlag in das Gebäude als auch durch einen Blitzeinschlag in der näheren Umgebung des Gebäudes auftreten.
Neben dem Potentialausgleich aller leitfähigen Gebäudeteile verbessert eine nach DIN EN 62305-4 realisierte Gebäude- oder Raumschirmung den Schutz vor diesen elektromagnetischen Störgrößen. Schirmungsmaßnahmen können während der Planung und dem Bau des Rechenzentrums einfach in die Gebäudestruktur integriert werden. Nachträgliche Maßnahmen sind oft nur mit sehr hohem kostentechnischem Aufwand und geringerer Wirksamkeit verbunden.
Ziel ist es, einen annähernd geschlossenen „Faraday‘schen Käfig“ zu errichten, um einen definierten Bereich für empfindliche Elektronik auszubilden. In diesem soll das durch Blitzstromimpulse verursachte elektromagnetische Feld so weit reduziert werden, dass die Störgröße durch die nach DIN EN 62305-4 berechnete Schirmungsmaßnahme gedämpft wird. Das Magnetfeld muss also so weit reduziert werden, dass die Störfestigkeit des Betriebsmittels höher ist als die tatsächliche oder berechnete Belastung am Einbauort. Zur Abschätzung der Magnetfeldstärke unter Berücksichtigung von Schirmungsmaßnahmen, stehen spezielle Softwarelösungen zur Simulation zur Verfügung. Fenster oder Türen sind ebenfalls in die Schirmungsmaßnahmen zu integrieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese ebenfalls ein ausreichendes Dämpfungsverhalten aufweisen. Durchbrüche, wie sie für Kabeldurchführungen benötigt werden, sollten auf ein Minimum reduziert werden. Die gewählte Maschenweite und die zusätzliche Nutzung der Bewehrung beeinflussen maßgeblich die Wirksamkeit dieser Schirmungsmaßnahme.
Blitzschutzzonen-Konzept und Überspannungsschutz
Um die hohen Anforderungen an die Verfügbarkeit von empfindlichen elektronischen Systemen in Rechenzentren zu erfüllen, fordert das BSI in seiner „Handlungsempfehlung zu baulich-technischen Maßnahmen für Rechenzentren mit erhöhten Verfügbarkeitsbedarf“ die Realisierung eines Blitzschutzzonen-Konzepts (engl. LPZ, Lightning Protection Zone) nach DIN EN 62305-4 bis mindestens LPZ 2. Nach diesem Prinzip ist die zu schützende bauliche Anlage in äußere (LPZ 0A, LPZ 0B) und innere Blitzschutzzonen (LPZ 1 – n) zu unterteilen. Laut diesem flexiblen Konzept sind abhängig von der Empfindlichkeit der elektronischen Geräte / Systeme geeignete LPZ festzulegen. Kreuzen Leitungen die im Vorfeld definierten Blitzschutz-Zonengrenzen, können Überspannungen in die geschützte Umgebung eingeführt werden. Aus diesem Grund ist es wichtig diese Leitungen an den entsprechenden Zonenübergängen mittels Überspannungs-Ableitern nach VDE 0675-6-11 und -21 in das Potentialausgleichsnetzwerk einzubeziehen. Bei allen energie- sowie informationstechnischen Leitungen, die von außen (LPZ 0A) ins Innere des Rechenzentrums geführt werden, muss damit gerechnet werden, dass ein Blitzteilstrom zum Fließen kommen kann. Hier ist die Leitung am Zonenübergang LPZ 0A auf LPZ 1 mit einem blitzstromtragfähigen Überspannungs-Ableiter zu beschalten.
Sind nur elektromagnetische Einkopplungen am Zonenübergang LPZ 0B auf LPZ 1 zu erwarten, reicht ein Typ 2 Überspannungs-Ableiter (SPD: engl. Surge Protective Device) aus. Auch die Zonenübergänge LPZ 1 auf LPZ 2 und höher sind mit passenden Schutzgeräten zu versehen. Darüber hinaus minimiert eine optimierte Leitungsführung Induktionsschleifen und verringert somit das Entstehen von Überspannungen. Bei großen Niederspannungsschaltanlagen sollten zusätzliche Typ 2 Überspannungs-Ableiter auch an den Abgängen der angeschlossenen Unterverteilungen eingesetzt werden. Damit werden induzierte Störgrößen aus den abgehenden Leitungen sicher begrenzt. Daneben sind auch die Signal- und Datenleitungen mit entsprechenden SPDs zu beschalten. (sg)