28.11.24 – Mehr Rechenpower – mehr Energie – mehr Verluste: Über den weltweiten Zubau an Rechenzentren schwebt das Damoklesschwert der energetischen Bilanz. Nicht nur die Versorgung stellt höchste Ansprüche, sondern auch die Kühlung. Nun hat das Unternehmen Rittal, weltweiter Anbieter für Schaltschränke, Stromverteilung, Klimatisierung, IT-Infrastruktur und Software & Service, in Abstimmung mit Hyperscalern und Server-OEMs eine Verteileinheit für direkt flüssiggekühlte Recheninfrastruktur entwickelt. Die sogennate Coolant Distribution Unit (CDU) liefert nach Angaben des Herstellers 1 MW Kühlleistung. Bisher galt als Grenze für die luftgekühlten Systeme 30 kW Kühlleistung pro Rack. Allein KI-Anwendungen fordern über 150 kW Kühlleistung pro Rack. Das Direct Liquid Cooling (Flüssigkeitskühlung) gilt als Schlüsselinnovation, um die thermischen und energetischen Herausforderungen der Rechenzentren zu bewältigen.
Standards und einfache Handhabung
Die CDU befindet sich in einem kompakten Rack-Format und liefert die Kühlleistung mit Wasser für einphasige direkte Flüssigkeitskühlung von Serverracks. Rittal hat dabei großen Wert auf die Modularisierung gelegt, um Handhabung und Service nachhaltig zu vereinfachen. Das neue System basiert auf dem Standard Open Rack V3, dessen Entwicklung Rittal im Open Compute Project (OCP) vorangetrieben hat: Die Stromversorgung erfolgt über die standardisierte DC Busbar im Rack. Nach diesem Vorbild wird der Server auch mit Anschlüssen im Rack an den zentralen Wasserkreislauf gekoppelt. Auch Funktionseinheiten der CDU wie die Controller Unit und mehrere Kühlmittel-Fördereinheiten (CCUs) sind vollständig modular. Die Einschübe können so wie Server gezogen werden – per „Hot Swap“ im laufenden Betrieb.
Die CDU verfolgt den Ansatz des Direct Liquid Cooling (DLC), das bisher als Alternative zu dem sogenannten Immersive Cooling bekannt war, bei der die gesamte Rechenarchitektur in eine Flüssigkeit eingetaucht wird. Rittal hat die DLC-Lösung in enger Abstimmung mit weltweiten Partnern aus der Branche entwickelt und sieht DLC derzeit als vielversprechendsten Ansatz. Philipp Guth, Chief Technology Officer in der Geschäftsführung von Rittal International, sieht zwar in der Immersionskühlung die Möglichkeit zu einfacheren Systemdesigns, aber derzeit noch mehr Nachteile und Entwicklungsbedarf hinsichtlich der Stoffe, in die bei dieser Technologie die gesamte Installation getaucht wird. „Wir konzentrieren uns daher aktuell auf DLC mit Wasser: Die Technologie lässt sich nachrüsten und ist näher an dem, was Betreiber gewohnt sind“, so Guth. Für DLC wird zudem ein Wasser-Polyglykol-Gemisch verwendet, das sich in der Industrie und im Automobilbau bewährt hat.
Wasser zu Wasser oder zu Luft
Neben der Liquid-to-Liquid-Version plant Rittal auch Liquid-to-Air-Versionen von DLC, die ohne einen speziellen Wasseranschluss der Rechenzentrums-Liegenschaft auskommen können. „Die Liquid-to-Liquid-Lösung war ein Publikumsmagnet auf den Messen. Solche Installationen werden vor allem Hyperscaler als Technologietreiber in hoher Stückzahl einsetzen“, sagt Michael Nicolai, Leiter Rittal IT Vertrieb in Deutschland.
Rittal ist überzeugt, dass die derzeitigen Aktivitäten bei den großen, internationalen Hyperscalern mittelfristig auch die Standards in der Industrie setzen werden. Doch die Colocation-Branche ist agil, hat hohen Druck und baut schon jetzt Infrastruktur auf. Daher sieht Rittal hier die Liquid-to-Air-Versionen zunächst als prägend an. Sie erreichen zwar nicht die Kühlleistung und Effizienz der Liquid-
to-Liquid-Lösungen, können aber mit erheblich weniger baulichen Veränderungen in Betrieb gehen.
Mit den Liquid-to-Air-Versionen können Colocators eigene Tests mit weniger Aufwand und Investitionen bewerkstelligen oder für ihre Kunden einzelne „HPC-Inseln“ in luftgekühlten RZ schaffen. „Anbieter wie Rittal sowie Planer, Projektentwickler und die Anwender müssen jetzt schnell ihr gesamtes Know-how zusammenbringen, um die Umbrüche im Gesamtsystem der Rechenzentren mit ‚Best Practices‘ zu vereinfachen. Dazu arbeiten wir eng mit großen Rechenzentrums-Entwicklern zusammen und installieren kurzfristig eine Teststellung unter realen Bedingungen im Einsatz für ein physikalisches Forschungsinstitut.“, sagt Nicolai. (sg)