07.03.2023 – Klima- und Energiekrisen verdeutlichen, wie dringlich ein schnellerer und zuverlässigerer Ausbau erneuerbarer Energien ist. Windenergie leistet bereits jetzt einen wichtigen Beitrag zur Stromerzeugung und spielt eine zentrale Rolle für das Gelingen der Energiewende. In naher Zukunft werden jedoch viele Windenergieanlagen in Deutschland und Europa ihre geplante Lebensdauer erreichen. Wie diese länger genutzt werden können, untersucht nun ein Konsortium unter der Koordination von Prof. Dr. Kathrin Flaßkamp aus der Fachrichtung Systems Engineering der Universität des Saarlandes.

Gruppenfoto im Rahmen einer Kick-Off-Veranstaltung am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) in Bremerhaven am 27.01.2023, von links nach rechts: Niklas Requate, Tobias Meyer (beide IWES), Bente Rathmann (P.E. Concepts), Johannes Fricke (IWES), Amine Othmane (Uni Saar), Marcus Wiens (IWES), Hannes Albers, Tobias Kluth (beide Uni Bremen), Kathrin Flaßkamp (Uni Saar), Philipp Thomas (IWES). Foto: Tobias Meyer (IWES)
Windenergieanlagen werden üblicherweise für eine Laufzeit von 20 Jahren ausgelegt und erhalten für diese Zeitspanne eine Betriebserlaubnis. Im Jahr 2025 wird rund die Hälfte der bereits heute bestehenden Windenergieanlagen im Nordosten Deutschlands dieses Alter erreicht haben; ihre Betriebserlaubnis erlischt dann. Würde ihr Betrieb eingestellt, wären die Ausbauziele der Energiewende noch schwieriger zu erreichen.
Anlagen länger als geplant betreiben
Ein Konsortium von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes, der Universität Bremen und des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme IWES in Bremerhaven möchte daher gemeinsam mit den Industriepartnern P.E. Concepts GmbH und marpitec GmbH herausfinden, wie die Lebensdauer von Windenergieanlagen verlängert werden kann. „Ein beschleunigter Zubau ist zum einen notwendig, um die Ausbauziele für Windenergie an Land und auf See zu erreichen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch wünschenswert, wenn die bestehenden Anlagen zusätzlich länger als ursprünglich geplant betrieben werden können. Zum einen leisten sie dann einen wichtigen Beitrag zur Stromerzeugung und Energiewende, zum anderen spart man wertvolle Rohstoffe, die man für den Bau neuer Windenergieanlagen aufbringen müsste“, erklärt Dr. Tobias Meyer vom Fraunhofer IWES. Denn der „ökologische Fußabdruck“ einer Windenergieanlage wird maßgeblich durch die Herstellung und Errichtung erzeugt; im Betrieb sind die Anlagen nahezu klimaneutral. Es ist also sinnvoll, sie so lange wie möglich zu betreiben, um den Ressourcenverbrauch zu verringern.
Möchte der Betreiber im Anschluss an die Laufzeit eine Weiterbetriebserlaubnis erhalten, wird dies unter anderem auf der Grundlage von zahlreichen Computersimulationen gemacht, die unterschiedliche Ermüdungslasten durchrechnen. Diese Simulationen sind jedoch sehr rechen- und zeitintensiv – und trotzdem aufgrund verbleibender Ungenauigkeiten der Modelle nur von begrenzter Aussagekraft. Der Ansatz des Projektteams besteht nun darin, mithilfe von künstlicher Intelligenz die Simulationsverfahren in Geschwindigkeit und Genauigkeit zu verbessern. „Wir kombinieren klassische modellbasierte Verfahren mit Methoden der künstlichen Intelligenz, um effiziente Simulations-Algorithmen zu entwerfen”, erläutert Dr. Amine Othmane, Mitarbeiter am Lehrstuhl von Kathrin Flaßkamp, der das Projekt ebenfalls federführend betreut.
Fortschritte bei Grundlagenforschungen
Auch muss man bei Lebensdauersimulationen berücksichtigen, dass die genutzten mathematischen Modelle zur Beschreibung der Anlagen und ihrer Umgebungen generisch und fehlerbehaftet sind, etwa wegen schwer rekonstruierbarer Windverhältnisse. Die Ergebnisse der Simulationen sind also mit großen Unsicherheiten behaftet. „Wir möchten in unserem Verbundprojekt die mathematische Forschung zur Verbesserung solcher ungenauen Modelle entscheidend vorantreiben, um bessere Vorhersagen zu erreichen“, so Prof. Dr. Kathrin Flaßkamp.
Am Ende bedeutet dies nichts anderes, als dass die Windenergieanlagen länger sicher laufen könnten. Die Fortschritte, die das Konsortium im Blick hat, spielen sich dabei einerseits auf dem Gebiet der mathematischen Grundlagenforschung ab, andererseits – durch die Beteiligung des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme IWES sowie der beiden Industriepartner – auf der technischen Anwendungsseite.
Das Projekt „KIWi: KI-Simulationskorrekturen zur Laufzeitverlängerung von Windenergieanlagen“ wird für 3 Jahre (Laufzeit vom 01.11.2022 bis zum 31.10.2025) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt rund 873.000 Euro gefördert. (jr)