06.06.2023 – Neue Technologien machen Windenergie zu einer kalkulierbareren Energiequelle. Mehrere Akteure entwickeln derzeit die Produktion und Speicherung von Wasserstoff aus Windenergie, damit überschüssige Energie auch bei Windstille zur Verfügung steht.
Die Windkraft gilt als eine der effizientesten Quellen fossilfreier und regenerativer Energie und damit als Schlüsseltechnologie für das Gelingen der Energiewende. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider: Nach Angaben des Bundesverbands WindEnergie e.V. lieferten hierzulande Anfang des Jahres 2023 29.982 Windkraftanlagen knapp 25 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms. Insgesamt leistete die Windkraft mit 123 Terawattstunden (TWh) Ökostrom damit den größten Beitrag zur regenerativen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Darüber hinaus macht die Windenergie bereits heute rund 17 Prozent der gesamten Energieerzeugung in Europa aus. „Der weitere Ausbau wird bei der Erzielung des grünen Wandels als absolut notwendig erachtet, da die Nachfrage nach fossilfreier Energie rasant wächst“, sagt auch Thomas Hjort, Director of Innovation and Offshore Wind Development beim Energiekonzern Vattenfall.
Die Produktion von Windenergie ist jedoch vom Wetter abhängig. Erfahrungsgemäß sind die Winde in Herbst und Winter am stärksten. Allerdings ist die Produktion je nach Windstärke auch tagesabhängig. Für das Stromnetz, das auf stabile Netzfrequenzen rund um 50,2 Hertz angewiesen ist, ist das eine große Hürde. „Neue Technologien könnten aber schon bald den Weg für klimaschonende und kosteneffiziente Systeme ebnen, die die von den Windturbinen erzeugte Energie speichern“, ist sich Thomas Hjort sicher. Diese gespeicherte Energie könne dann bei Windstille genutzt werden. Eine innovative Möglichkeit dazu haben Thomas Hjort und sein Team bei Vattenfall bereits entwickelt: „Es geht dabei um die Schaffung von Windturbinen, die nicht Strom, sondern direkt Wasserstoffgas produzieren. Der Wasserstoff kann dann gespeichert und die Energie bei Windstille genutzt werden. Das bietet hervorragende Möglichkeiten zur vermehrten Erzeugung von fossiler und kalkulierbarer Energie und das ist absolut entscheidend, wenn wir den grünen Wandel schaffen wollen.“
21.000 TWh Strom pro Jahr notwendig
Erneuerbarer, aus grüner Energie gewonnener Wasserstoff gilt als Schlüsselbereich für die Umstrukturierung des Energiesystems in der EU und den übrigen Teilen der Welt. Wasserstoff wird als wirksames Mittel zur Reduzierung von Kohlendioxidemissionen für die Schwerindustrie, darunter Stahlwerke, angesehen. Um die Kohlendioxidemissionen in der Industrie zu reduzieren, muss die jährliche Wasserstoffproduktion schätzungsweise verfünffacht werden. Insgesamt werden rund 21.000 TWh Strom pro Jahr benötigt.
„Windenergie lässt sich bereits mithilfe von Wasserstoffgas speichern. Kupferkabel übertragen den von Offshore-Windturbinen erzeugten Strom zu Wasserstoffproduktionsanlagen an Land. Dieser Ansatz hat jedoch einige Nachteile. In dem Umwandlungsverfahren werden relativ große Energiemengen verbraucht und das ist extrem teuer. Deutlich billiger und effizienter ist der Bau von Windturbinen, die Wasserstoff direkt produzieren und dann das Gas über Pipelines zur Speicherung an Land transportieren“, erklärt Hjort. Der Grund dafür ist simpel: Die Kapazität einer Gasleitung ist wesentlich größter als die eines Kabels, das Strom liefert. „Außerdem sind Gasleitungen an sich deutlich günstiger als Kupferkabel, die derzeit für die Stromversorgung benötigt werden“, führt Thomas Hjort aus.
Offshore-Windenergie im Fokus
Ein Einsatzort für die innovative Technologie könnten Offshore-Windparks sein, die derzeit stark im Fokus von Vattenfall stehen. Der Energiekonzern hat derzeit Offshore-Windkraftanlagen mit einer Leistung von insgesamt 4,5 GW im Bau und in Betrieb sowie Projekte mit mehr als 15 GW in der Entwicklungspipeline. „Das volle Potenzial der Offshore-Windenergie ist damit aber noch lange nicht ausgereizt“, berichtet Ane Mette Lysbech-Kleis, Head of Development bei Vattenfall Offshore. Um das zu ändern seien innovative Lösungen gefragt. „Auf schwimmenden Fundamenten installierte Windturbinen könnten beispielsweise der Schlüssel sein, um der Windkraft einen weiteren Schub zu geben. Schon in den kommenden Jahren wird eine erhebliche Verlagerung von Monopiles, die fest am Meeresboden verankert sind, zu schwimmenden Anlagen erwartet“, sagt die Offshore-Expertin, die davon ausgeht, dass künftig mindestens 40 Prozent der Windparks weltweit schwimmend statt fest am Meeresboden verankert sein werden.
Die „schwimmende“ Windkraft hat dabei gleich mehrere Vorteile: zum einen können mit der Technologie neue Gebiete für Offshore-Windkraftanlagen erschlossen werden, da „derzeitige Turbinen nur in Gewässern mit einer Tiefe von bis zu 50 Metern gebaut werden können“, berichtet Ane Mette Lysbech-Kleis. Zum anderen werden die Turbinen auf den schwimmenden Fundamenten an Land installiert und dann von Schleppern auf See in Position gebracht. Dadurch werden keine großen Schiffe mehr benötigt, um die Monopile-Fundamente in den Meeresboden einzubringen und die Windturbinen auf den Fundamenten zu errichten. Ane Mette Lysbech-Kleis: „Wir sind uns sicher, dass dies sowohl aus Kosten- als auch aus Sicherheitsgründen von Vorteil ist, da die großen Hebevorgänge in einer kontrollierteren Umgebung und nicht auf See durchgeführt werden. Auch zu Wartungszwecken kann die schwimmende Windturbine an Land geschleppt werden, wo größere Reparaturen durchgeführt werden können, vergleichbar mit Arbeiten an einer Turbine an Land, wodurch komplizierte Hebevorgänge und Arbeiten auf See vermieden werden.“
Die Verkabelungsinfrastruktur zur Anbindung des Windparks an das Festland oder an ein Umspannwerk auf See ist ein weiteres Beispiel für die Flexibilität, die schwimmende Windkraftanlagen bieten können. Statt mit einem statischen Seil sind die schwimmenden Windturbinen über ein Auftriebselement, das die Bewegungen der schwimmenden Turbine auffängt, mit dynamischen Kabeln verbunden. Dies ist eine bekannte und häufig verwendete Technologie aus dem Öl- und Gassektor. Das dynamische Kabel kann an eine statische Leitung, die zu einem Umspannwerk führt, angeschlossen und von dieser getrennt werden.