16.12.2022 – Der Energiedienstleister GETEC betreut in Muttenz den größten Chemie- und Life-Science-Industriepark der Schweiz. Ziel ist, Energieverbrauch und Prozesskosten der ansässigen Unternehmen möglichst gering zu halten. Kein leichtes Unterfangen, denn die vor Ort stark verteilte Infrastruktur muss unter anderem Informationsabfragen in Echtzeit bewältigen und eine hohe Ausfallsicherheit gewährleisten. Zudem streben die Betreiber des GETEC PARK.SWISS eine „Net-Zero Energie Production“ an: eine nachhaltige Energieversorgung ohne ökologischen Fußabdruck. Bisher war das Energiemanagement auf vier Leitwarten verteilt, die unterschiedlich strukturiert waren. Um der anspruchsvollen Zielsetzung gerecht zu werden, stattete die Jungmann Systemtechnik GmbH (JST) den Industriepark mit einer hochmodernen Leitwarte aus. Die flexible Kontrollraumsteuerung mit dem Multi-Consoling-System ermöglicht es, eine fast vollständig virtuelle Umgebung in Echtzeit von einem Ort aus zu bedienen. Nun können zentrale Systeme, Produktionsdaten und Kameras situationsabhängig auf der proaktiven Großbildleinwand sowie den einzelnen Arbeitsplatzmonitoren in der Zentrale abgerufen werden. Mithilfe der neuen Steuerungsumgebung lassen sich Energiemanagement und Zusammenwirken der einzelnen Systeme und Ressourcen am Standort deutlich effizienter regulieren.
Der Industriestandort GETEC PARK.SWISS im schweizerischen Muttenz bietet zahlreichen Unternehmen vom Kleinbetrieb bis hin zum Konzern auf rund 50 Hektar eine gemeinsame Wirkungsstätte. Eines haben sie alle gemeinsam: den Wunsch nach effizientem und nachhaltigem Ressourcenmanagement. Dabei ist das Thema Energie für die produzierenden Unternehmen im Chemie- und Life-Science-Park zentral, denn Strom, Wärme, Wasser und andere Betriebsmittel müssen für verschiedenste Fertigungsprozesse in großen Mengen zuverlässig abrufbar und qualitativ hochwertig zur Verfügung stehen. Damit sich die ansässigen Firmen auf ihre Produktion konzentrieren können, übernimmt die GETEC mit ihren rund 350 Mitarbeitern vor Ort viele Infrastrukturdienstleistungen. Hierzu zählt das Management des gesamten Infrastruktur-Lebenszyklus, begonnen bei der Bereitstellung und Erhaltung einer modernen Industrieumgebung bis hin zur Erzeugung von Energie, Eis und Druckluft.
Bisher waren die Überwachung und Steuerung der Prozesse sowie der gesamten Energieversorgung auf vier einzelne Standorte des weitläufigen Areals in Muttenz verteilt. Angesichts der neuen Herausforderungen im Energiesektor sowie der geplanten Entwicklung des Standorts zu einem zukunftsweisenden Hub für Wasserstoffanwendungen entschieden sich die Verantwortlichen für eine Modernisierung der Leitwarte: „Wir wollten vier historisch gewachsene Leitwarten mit ihren verschiedenen Prozessleitsystemen und Bedienkonzepten miteinander verknüpfen und unter einem Dach vereinen“, erklärt Arthur Gebhardt, Leitung Arealentwicklung & Analytik und zugleich Projektleiter bei GETEC. Mit dieser Aufgabe wurde schließlich Jungmann Systemtechnik betraut, die bereits zahlreiche Projekte ähnlicher Größenordnung realisieren konnte. „Bei solch unterschiedlichen Systemen wie diesen Leitwarten ist eine Migration oftmals zu aufwendig und sehr teuer“, erklärt Oliver Bender, zuständiger Projektleiter bei JST. „Deshalb haben wir eine übergeordnete Leitwarte entworfen, wodurch die Operator in die Lage versetzt werden, von einem zentralen Punkt aus sämtliche Prozessdaten aller relevanten Produktionsstandorte und neuralgischen Punkte abzugreifen.“ Seit dem Frühjahr 2022 werden in dem neuen Smart Control Center alle Vorgänge erfolgreich gebündelt.
Systeme flexibel auf die Multikonsole schalten
Im neuen Smart Control Center ist der gesamte Industriepark virtuell gespiegelt, sodass ein dezentraler Zugriff möglich ist. Gewährleistet wird dies durch das sogenannte MultiConsoling von JST: Nun stehen im Kontrollraum keine Rechner und Monitore mehr, die lokal fest mit vordefinierten Systemen auf dem Industriecampus verbunden sind. Anstelle von systembezogenen Arbeitsplätzen lassen sich mit der netzwerkunabhängigen Echtzeitsteuerung heute userbezogene Terminals generieren. Die Operator können von jeder Multikonsole aus per Drag-and-Drop zwischen den einzelnen Systemen hin und her wechseln. Dabei gewährleistet die verwendete myGUI-Bedienoberfläche ein intuitives und übersichtliches Handling. „Der Bediener agiert, als hätte er den physischen Client direkt vor sich und nicht die virtuelle Umgebung einer kilometerweit entfernten Anlage. Wir schätzen zudem die Performance, die intuitive Oberfläche und die Echtzeit-Mausbewegungen des Systems“, so Gebhardt. Ergänzend lassen sich die wichtigsten Systemanzeigen flexibel auf einer Großbildwand spiegeln, sodass sie gut sichtbar für alle Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Visuelle und akustische Signale, die mit der Videowall gekoppelt sind, alarmieren dabei sofort, wenn an irgendeiner Stelle ein Systemfehler oder eine Störung vorliegt. Auf diese Weise verbessern sich Übersicht und Bedienung erheblich und die Operator werden entlastet.
Um die hohe Verfügbarkeit aller Signale bzw. Systeme in Echtzeit sicherzustellen und native sowie virtuelle Umgebung homogen verschmelzen zu können, setzt JST bei der Signalabfrage seine bewährten Grabber und GrabberVM ein. Diese Komponenten, die im Technikraum in die Serverumgebung integriert sind, greifen die Signale an der Quelle ab – unabhängig davon, ob diese physisch oder virtuell verfügbar ist. Anschließend werden sie direkt an die Multikonsolen im Smart Control Center weitergeleitet, anstatt wie bisher über andere Netzwerkverbindungen vor Ort. „Unsere Grabber teilen das Signal dabei direkt in zwei Signale auf und verstärken es zusätzlich, sodass wir automatisch einen Fail-Safe haben, sollte eine Verbindung einmal gestört sein“, erklärt Bender. Zudem lässt sich der GrabberVM so skalieren, dass beliebig viele virtuelle Maschinen in das Netzwerk integriert werden können, dabei aber nur so wenig Hardware zum Einsatz kommt, wie für die maximale Anzahl an Aufschaltungen notwendig ist. Für den Park in Muttenz bedeutet dies, dass sich die Steuerungsumgebung flexibel erweitern lässt.
Zukünftiges Layout der Schaltzentrale
Das von JST entworfene Steuerungsdesign ist integraler Bestandteil der Zukunftspläne von GETEC am Industriestandort Muttenz: „Nicht nur werden Ansiedlungen neuer Produzenten und der Produktionsausbau ansässiger Unternehmen erfolgen. Zukünftig wird die Anwendung von grünem Wasserstoff ein wichtiges Element der Energiedienstleistungen von GETEC sein. Die Steuerungslösung von JST erlaubt es uns, eine Systemwelt zu schaffen, die genau zu unseren Wachstumsplänen passt und uns ausreichend Automatisierungsschritte in der Zukunft offenlässt, um den ökologischen Fußabdruck in Muttenz auf null zu bringen“, erläutert Gebhardt. Dabei ist der Wechsel auf eine nahezu vollständig virtuelle Steuerungsumgebung allein schon ein wichtiger Schritt. Denn durch die Reduktion notwendiger Rechner und physischer Server sowie das Bündeln in effizienten HCI-Clustern kann die Hardware wirkungsvoller ausgelastet werden. Ein eigens dafür ausgelegter Algorithmus sorgt für eine ausgewogene Verteilung der Rechenaufgaben auf die virtuellen Maschinen. In der Summe werden so der Stromverbrauch des Smart Control Center gesenkt sowie die Energienutzung optimiert.
Im Rahmen der Projektierung nutzte JST den hauseigenen Kontrollraum-Simulator, um den Industrieparkbetreibern bereits vor Projektstart einen realistischen Ausblick zu gewähren. „Damit wir gemeinsam mit dem Kunden von Anfang an das ideale Steuerungskonzept erarbeiten konnten, ohne dass eine Anreise aus der Schweiz notwendig wurde, nahmen wir sie während eines virtuellen Workshops mit auf eine Reise in unserem Kontrollraum-Simulator“, berichtet Bender. Auf diese Weise kann JST verschiedene Leitwarten-Modelle und Konfigurationen so realitätsnah wie möglich präsentieren. „Wir wurden komplett virtuell durch diese Welt hindurchgeführt und haben interessante Lösungen kennengelernt. Oliver Bender hat uns mit verschiedenen Visualisierungstechniken und -medien sehr anschaulich gezeigt, was in Muttenz Realität werden könnte, und sämtliche Fragen ausführlich beantwortet. Das war ein wertvoller Schritt, um das neue Kontrollcenter ideal auf unsere Wachstumspläne einstellen zu können“, resümiert Gebhardt.